Grundsätze einfacher Bedienoberflächen
Einfache Bedienoberflächen erscheinen als selbstverständliche Anforderung. Aber wer hat nicht schon mit komplizierten Bedienungen zu kämpfen gehabt? Aber was ist einfach, und wie sieht der Weg zu einem einfachen Bedienkonzept aus? Dafür hat sich die Beachtung einiger Punkte als hilfreich erwiesen. Jedes Gerät hat eine andere Aufgabe, ist unterschiedlich komplex, hat eine andere Zielgruppe von Bedienern, und jede Firma hat eine andere Corporate Identity, was in der Folge zu verschiedensten Lösungen führt. Ob zum Beispiel ein Programm auf einem PC, einer App, eine kleine einfache Bedienung eines kleinen Gerätes oder ein größerer Touchscreen für die Bedienung einer Anlage gestaltet werden soll, die Anforderungen unterscheiden sich erheblich.
Hier sollen die Grundsätze einfacher Programmgestaltung behandelt werden. Sie müssen den jeweiligen Anwendungen und Aufgabenstellungen angepasst werden.
Das Entwickeln einer einfachen Bedienoberfläche ist nicht einfach. Es erfordert wesentlich mehr Aufwand, eine Bedienoberfläche in mehrfachen Schritten zu vereinfachen, als den ersten noch komplizierteren Entwurf zu verwenden. Den Aufwand sieht man einer dann entstandenen einfachen und übersichtlichen Bedienoberfläche nicht an, da die ersten Entwürfe bei einem gelungen Ergebnis nicht mehr sichtbar sind.
Hinter der Bedienoberfläche befinden sich die Funktionen des Gerätes, die dann ausgeführt werden sollen. Die Entwicklung der Bedienoberfläche beinhaltet damit den Umfang der zu realisierenden Funktionen. Funktionen können voll unter Bedienerkontrolle stehen, mit Standardparametern ausgeführt werden oder einige auch automatisiert werden.
Programmieroberflächen sind zu wichtig, um sie nur Informatikern zu überlassen.
Programmierer und Informatiker empfinden andere Bedienungen als einfach als zum Beispiel eine Krankenschwester, die an einem Patientenmonitor tätig ist. Informatiker leben in ihrer eigenen Welt und empfinden Bedienoberflächen als simpel, die für der Informatik unkundige Bediener alles andere als einfach sind. Es sollten immer die üblichen Begriffe aus der Fachsprache der Bediener verwendet werden. Die Anpassung auf die Vorstellungswelt der Bediener ist ein kontinuierlicher Vorgang, der mehrere Durchgänge mit immer weiteren Verbesserungen erfordert.
Bei den meisten Geräten deckt ein kleiner Teil der Bedienfunktionen den üblicherweise meist benutzten Funktionsumfang ab. Die meisten der restlichen Funktionen werden dann aber nur selten verwendet und dienen nur zu einem kleinen Teil dem wichtigen Nutzens des Gerätes. Das sollte in der Konsequenz zu einer schellen, einfachen Zugänglichkeit der meist benutzten Funktionen führen. Welche Funktionen werden dagegen so selten verwendet, dass sie auch weggelassen werden können? Mindestens sollen die selten verwendeten Funktionen so im Hintergrund stehen, dass sie nicht die Bedienung der Standardfunktionen verwirren.
Der Programmierer benötigt einen Gegenpart, der die Anwender versteht und keine Ruhe gibt, bis ein Optimum an Einfachheit erreicht ist.
Während der Programmierung muss der Programmierer einen „alter ego" haben, dessen Bemühungen der Vereinfachung der Bedienoberfläche gelten müssen. Es sollte einen guten Kontakt zu den Anwendern, der Zielgruppe der Bediener haben, die das Gerät später bedienen sollen. Es muss ausreichende Kenntnisse über die Vorstellungswelt und die verwendeten Begriffe (und gegebenenfalls der Fachsprache) dieser Zielgruppe besitzen.
Sobald die ersten Versionen den entsprechenden Stand erreicht haben, sollten sie den zukünftigen Bedienern vorgeführt werden, um frühzeitig Probleme und Vereinfachungsmöglichkeiten zu erkennen. Welche Fragen werden von den Bedienern bei der Vorführung gestellt? Was wird sofort verstanden und wo stockt es im Verständnis der Bediener? Hier ist Verständnis und Einfühlungsvermögen in die Bediener nötig. Diese Erkenntnisse aus den Tests müssen dann zu einer weiteren Vereinfachung im Sinne der Bediener führen. Achtung: die Bediener sind meist keine homogene Gruppe, es gibt vielmehr technisch aufgeschlossene, aber auch weniger interessierte Bediener.
Jeder Bedienoberfläche liegen ein Modell des Prozesses zu Grunde und die Abbildung dieses Modells auf der Bedienoberfläche. Wenn man bewusst über dies Modell und dessen Abbildung auf der Bedienoberfläche nachdenkt, dann kann dies zu einem einfacheren Modell und einer einfacheren Abbildung des Modells auf der Bedienoberfläche führen. Sich anzusehen, mit welchen Modellen die Zielgruppe bisher arbeitet, sollte man als Voraussetzung für die Vereinfachung betrachten.
Es geht darum: Für die Zielgruppe die einfachste Bedienung zu schaffen, so wie die Bediener ticken und ihre typischen Begriffe und Fachsprache zu verwenden.
Man muss über die Bedienoberfläche schon tiefergehend nachdenken und nicht den ersten Ansatz gleich übernehmen. Es kann durchaus sinnvoll sein, als Ausgangspunkt über eine Bedienung mit nur einer Taste nachzudenken, um im Endeffekt zu einer einfacheren Mehrtastenbedienung zu gelangen. Was kann mit dem Touch-Screen, dem Joystick, dem Drehknopf, dem Schieberegler oder auch mit anderen Bedienelementen einfacher gestaltet werden? Welche bisher üblichen Anzeigen können auf die Grafik möglicherweise analog übertragen werden, damit der Bediener Bekanntes wiederfindet? Sinnvolle Bilder und Grafiken können eine einfache Übersicht über ein Gerät schaffen. Den Papierkorb für gelöschte Dateien versteht jeder. Bei vielen Tintenstrahldruckern zeigt heute eine farbige Fläche den Füllstand einer Tintenpatrone an. Dies macht das Ablesen von einer Zahlenskala überflüssig. Sich eine Sammlung guter Beispiele von anderen Geräten zu verschaffen kann bei der Gestaltung helfen.
Können zusätzlich ladbare Apps für das Gerät sinnvoll sein? Gestaltet man die Schnittstelle für Apps offen für andere Programmierer, oder lässt man nur eigene Apps zu? Dies muss abhängig von dem geplanten Geschäftsmodel gestaltet werden.
Die technische Entwicklung und die Kosten für die Displaytechnik ermöglichen heute komfortable graphische Bedienoberflächen für viele Anwendungen. Farbige, graphische Touch-Screen-Displays werden immer kostengünstiger. Auch sind leistungsfähige Prozessorkarten - z.B. mit Linux, Windows CE und graphischen Bibliotheken - zu geringeren Kosten für Embedded-Prozessoren verfügbar, so dass sie für viele Geräte eingesetzt werden können. Der Aufwand für die Programmierung der Bedien-Oberflächen muss beachtet werden und lohnt sich eventuell erst bei entsprechenden Stückzahlen. Im untersten Low-End-Geräte-Segment müssen gegebenenfalls einfachere Lösungen eingesetzt werden. Auch hier sollten die Grundsätze für einfache Bedienungen entsprechend der Möglichkeiten beachtet werden.
Die Entwicklung wird weitergehen. Für die Zukunft sollte man die Möglichkeiten der Gesten- und Sprachsteuerung im Auge behalten. Was kann in der Zukunft sinnvoll sein? Kann zum Beispiel eine biometrische Gesichtserkennung oder Spracherkennung automatisch den zugewiesenen Login-Level aktivieren? Mit offenen Augen werden wir auch die sinnvollen zukünftigen Möglichkeiten erkennen.
Bei der Gestaltung von Bedienoberflächen sollten folgende Punkte berücksichtigt werden:
- Bei den Geräten sollten keine Menüs verwendet, sondern lediglich Fenster mit den sofort zugänglichen Grundfunktionen gestaltet werden. Spezialfunktionen sollten im Hintergrund in nach Themen geordneten Fenstern gehalten werden. Die wichtigsten Eingabefunktionen müssen schnell von überall aus zugänglich sein. Anzeige- und Eingabefelder sollten durch verschiedene Farben leicht unterscheidbar gestaltet werden.
- Es sollte eine intuitive Bedienung gestaltet werden, wobei die typischen Bediener als Ausgangsbasis betrachtet werden. Welche Bedienungen sind die Bediener bisher gewohnt? Es sollten die typischen Begriffe der Bediener und Anwender verwendet sowie branchenübliche Vorstellungen, Begriffe, Visualisierungen und Gestaltungen berücksichtigt werden.
- Alarme und Störungen müssen immer sofort sichtbar sein. Rot wird allgemein als Alarm-Farbe empfunden. Der Einsatz anderer Farben kann beispielsweise an die Ampelfarben angelehnt sein. Die aktiv veränderbaren Eingabefelder sollten sich von den nur anzeigenden Feldern farblich absetzen (gegebenenfalls auch abhängig vom Benutzer und Level des Benutzers).
- Jede Eingabe des Bedieners sollte immer sofort und eindeutig optisch, akustisch, durch Vibration oder anderweitige Anzeigen bestätigt werden.
- Es sollte eine Konsistenz und einheitliche Gestaltung beachtet werden: Gleichartige Eingaben und Anzeigen sollten auch gleichartig gestaltet werden.
- Die Bedienung sollte transparent sein: Alle wichtigen Einstellungen müssen sofort erkennbar sein.
- Während der Entwicklung sollte stets nach minimalistischen Lösungen gesucht werden. Man sollte sich stets die Frage stellen, ob es noch einfacher geht.
- Auch bei der Anzeige gilt: Weniger ist mehr. Was ist so wichtig und bedeutend, dass es anzeigt werden muss? Was kann weggelassen werden? Was kann unauffällig und klein gehalten werden?
- Die typische Bedienung vom Anwender sollte von der Administration getrennt werden, gegebenenfalls auch von den anwendungsspezifischen Einstellungen. So könnte zwischen einem Experten-Modus und einem Bediener-Modus unterschieden werden. Auch eine Trennung von unterschiedlich qualifizierten Bedienern kann sinnvoll sein. Mehrere verschiedene Login-Level können, zusätzlich zu der Unterscheidung verschiedener Anzeigeumfänge, ein unbefugtes Eingreifen abblocken.
- Durch graphische Visualisierungen können Eigenschaften erkannt werden, ohne dass die Werte verglichen werden müssen. Hierzu können Balkendiagramme, Kurven, Zeiger- oder Balken-Instrumente und in die Anzeigeoberfläche eingebundene Bilder mit Wertefeldern können Übersicht schaffen. Es könnte eine Zeichnung oder das Foto einer Anlage mit eingefügten Werten, Hinweisen oder Skizzen zur Übersichtlichkeit eingesetzt werden.
- Bei Aktionen, die länger dauern, sollten während dieser Zeit erkennbar sein, dass die Funktionen aktiv sind (zum Beispiel beim Übertragen großer Dateien). Dies sollte durch einen Laufbalken, eine Uhr etc. angezeigt werden. Das Beste ist, wenn der aktuelle Stand der Aktion und wie lange es noch dauert, erkennbar ist.
- Die Oberfläche sollte graphisch ästhetisch geschaltet werden. Die Bediener sollen sie als schön empfinden. Es sollte bei den Farben und der Gestaltung die Corporate Identity wiederzuerkennen sein. Die Hinzuziehung eines Graphikers für die Gestaltung ermöglicht ein professionelles Erscheinungsbild. Dies funktioniert aber nur dann, wenn der Graphiker die Problematik versteht und gute Vorgaben bekommt.
- Die Internationalisierung beachten heißt, andere Sprachen (auch die Feldgrößen dafür), Einheiten und Symbole konzeptionell vorzusehen (mindestens als spätere Erweiterungsmöglichkeit). Viele Produkte werden später auch ins Ausland verkauft.
- Welche Symbole sind in der Branche üblich? Diese Symbole können verwendet werden (gegebenenfalls in einer eigenen, etwas abgewandelten graphischen Gestaltung).
- Ein gutes, einfaches Bedienkonzept führt in der Folge auch zu einer kurzen Bedienungsanleitung. Es sollte das Ziel sein, nicht nur eine einfache, intuitive Bedienung zu entwickeln, sondern auch eine kurze und gut verständliche Bedienungsanleitung als Bestandteil eines guten Bedienkonzepts zu berücksichtigen. Auch die Übersetzung in andere Sprachen wird bei kurzen Bedienungsanleitungen folglich einfacher. Eventuell lässt sich eine sehr einfache Bedienung auch durch Piktogramme erklären, so dass Übersetzungen in andere Sprachen nicht mehr nötig sind.
- Kann eine gute Bedienerführung durch das Programm (oder auch eine Hilfefunktion) eventuell die Bedienungsanleitung fast überflüssig machen? Kann die Bedienungsanleitung auf das rechtlich nötige Minimum reduziert werden?
- Eine Trennung zwischen Bedienungsanleitung und Technischen Handbuch/Serviceanleitung erlaubt es, lediglich die Bedienungsanleitung in die jeweiligen Sprachen zu übersetzen. Das Technische Handbuch muss nur einmal, nämlich in Englisch, erstellt werden, was den Übersetzungsaufwand erheblich verringern kann.
- Es sollte an Anfang besonders der Aufwand betrieben werden, ein einfaches gutes Grundkonzept der Bedienoberfläche zu entwickeln. Diese Bedienoberfläche sollte dann in Details kontinuierlich weiter vereinfacht werden. Die einmal entwickelte Grund-Bedienoberfläche sollte dann auch über die folgenden Gerätegenerationen möglichst identisch bleiben. Die Bediener müssen sich so nicht, immer wieder bei neuen Gerätegenerationen in ein neues Bedienkonzept einarbeiten.
- Wenn es mehrere Geräte einer Firma oder Gerätefamilie gibt (geben wird), dann sollte ein Gesamtkonzept entwickelt werden, bei dem identische Bedienungen für vergleichbare Bedienfunktionen verwendet werden.
- Das Einschalten und Ausschalten des Gerätes und gegeben falls auch einzelner Funktionen, sollte als Teil des Bedienkonzeptes mit betrachtet werden. Kann eine Ein- und Ausschaltfunktion automatisiert werden? Welches Ereignis kann das Schalten triggern? Eine Energiesparfunktion kann zum Beispiel über einen Timer automatisch geschaltet werden.
- Sollen Fehler und Störungen protokolliert werden und wie?
- Soll es für qualifizierte Bediener Analysefunktionen für Fehlfunktionen geben?
- Wenn eine Notausfunktion benötigt wird, wie soll diese dann in das Bedienkonzept integriert werden?
© 2015 Wolfgang Krebs, Berlin. Alle Rechte vorbehalten, Kopie, Reproduktion auch Auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors. Letzte Änderung am 10.5.2015.